13. August 2015

fünf Finger in der Masca-Schlucht


Nun sind sie eingelaufen. Die frisch gekauften Fivefingers von Vibram kurz vor dem Anleger in der Schlucht von Masca. Auch für die gilt: Einen Eimer Wasser großzügig auf poliertem Marmor oder Granit verteilt, da wird das Laufen zum Problem. Das konnte in der Schlucht an den wenigen wasserführenden Stellen verifiziert werden. Der Grip bei Nässe ist genauso schlecht, wie bei vielen anderen Sohlenkonstrukten.

Zugegeben, es klingt ein wenig nach Clint Eastwood, einer letzten Rechnung, die noch offen ist, aufgehübscht mit den letzten Tönen, die Ennio Morricone vor sich hin pfeift, damit das Thema gegessen ist. Als trüge man seit Jahren einen uneingelösten Schuldschein mit sich herum, so ging es Rücken und Füßen all die letzten Jahre. Es fehlte noch etwas, der ultimative Kick, der Beweis, daß man nach Jahren zuweilen elender Schmerzen doch noch einen Zustand erreichen kann, mit dem man sich arrangiert.

Der Wanderfreund saß längst auf seinem bevorzugten Platz im Kleinbus, dem Beifahreritz, um in Notsituationen auch durch die Frontscheibe oder aus dem Seitenfenster heraus lukrative Motive ablichten zu können, da signalisierten Freudengeschrei, daß sich die Abfahrt verzögert. Ergo stieg er wieder aus, um den Grund dafür herauszufinden. Der bestand aus einer attraktiven Wandergenossin, die offenbar von den Anwesenden seit gefühlt 5 Jahren nicht gesehen ward, was natürlich nicht stimmt, aber so zelebriert wurde.

Na? Kennst du mich noch?

Ja klar, wir waren doch einige Male wandern.

Ich kann mich noch gut daran erinnern, daß du damals ...

Bitte nicht, das spielt alles keine Rolle mehr ...


Eigentlich sollte die Fahrt ja Richtung Anaga gehen, doch ein Anruf vor Ort klärte, daß es dort regnet, arschkalte 20 Grad sind und die Wolken kein Hoffnung auf gute Fotos machen. Somit ging es in die andere Ecke der Insel, zur Masca-Schlucht, um oberhalb derselben einen Rundkurs zu absolvieren. Auch diese Hoffnung zerschlug sich bei Anfahrt, die letzten Ausläufer des Teno-Gebirges oberhalb von Santiago del Teide waren ebenfalls wolkenverhangen. So wurde es ein fast 10 km langer Kurs aus Richtung Chinyero gen Santiago mit einem Fotounglück das keines war.

Da muß ich die Kollegin doch mal besuchen gehen und einen kleinen Schwatz mit ihr machen, um ihr meine Barfußschuhe vorzustellen.

Klar mach das, die freut sich. Die kennt das aber schon, macht das ja auch.


Wenige Tage später wurde die Barfußschuhe in einen Rucksack verfrachtet und die Wanderführerin besucht. Mit einem Kurzvortrag wurde das angesprochene Erinnerungsvermögen aufgefrischt, unter besonderer Berücksichtigung des Heilungsprozesse von Rücken unter Nutzung von Bällen im Strumpf, denn das war inzwischen auch zu ihr vorgedrungen, daß deren regelmäßige Anwendung Wunder bewirken kann. So klein ist also die Welt fernab der Heimat, daß dort binnen weniger Tage jede zweite Ausgewanderte von dem Geschenk an die Zauberin in Handmagie weiß.

Dann wurden die Stiefel ausgepackt und erörtert, daß sich der Schmerzfaktor beim Wandern erheblich reduziert hat, seitdem die Strecken mit ordentlichen Laufhilfen absolviert werden.

Barfußlaufen mach ich ja auch schon länger, seit drei Jahren ungefähr. Ich nehme aber die hier.

Sie zeigte auf ein Sortiment merkwürdig aussehender Schuhe, die dem Besucher nicht unbekannt waren, und erörterte in einem Kurzvortrag die Vorteile dieser Art Laufen. Das mußte nicht vertieft werden, war doch der Wanderfreund bereits überzeugt.

Ich laufe jedes Terrain mit den Schuhen, brauche keine anderen mehr.

Wie? Keine Stiefel mehr mit Knöchelschutz? Oben auf dem Teide, dem Pico Viejo, Guajara, alles mit den Dingern?



Klar. Den sicheren Halt und Tritt, das machen die Füße, nicht die Stiefel.

Im Prinzip kenne ich das ja auch. Ich hatte nie so großen Spaß wie damals, als ich den Montana Sombrero runtergehirscht bin. Der Aufstieg war nicht so prickelnd, aber der Abstieg eine echte Freude. Hat richtig Spaß gemacht. Hier, der Schuh war das. Na gut. Was kostet denn sowas?

Um die 150 Euro, ich kann dir aber einen Freundschaftspreis machen.

Wenn ich die jetzt kaufen täte, dann könnte ich schon morgen damit die Masca-Schlucht runterknattern?

Ja klar, läufst die noch ein bißchen ein.

Gut, dann probiere ich die mal an.

[Pause]

Stark. Ich habe noch nie jemanden gesehen, der die so schnell anhatte.

Sind gekauft. Also, eine Runde auf der Strandpromenade, das reicht?

Das reicht. Du bist es doch fast schon gewohnt.


Gesagt getan. Sind gekauft, wurden gleich anbehalten und im Laufe des Tages mit wenigen Kilometern unterschiedlichsten Belags getestet.

Das Staunen war anderntags groß, als der Wanderfreund mit den Galoschen am Treffpunkt aufschlug und nichts weiter als gute Laune, einen Schelmenblick und 2 Liter Wasser zum Wandern mitbrachte, und Fotoapparat natürlich. Es wurde zig mal nachgefragt, ob das ernst gemeint sei, mit den Tretern die Schlucht runterzukullern. War es.

Vor allem aber war es ein Vergnügen der Extraklasse, denn noch nie hat Wandern, Gehen, Laufen so viel Spaß gemacht, wie mit diesem Schuh, dem "Vibram Fivefingers KMD". Den Tag drauf wurde gleich noch eine Vulkantour hinterhergeschoben, um sie auch in etwas schwierigerem Terrain zu Probieren.

Etwas später schlug der Wanderfreund noch einmal im Laden der sich erinnernden Wanderführerin auf und erstattete begeistert Bericht.

Willkommen im Klub.

Seit Mai des Jahres läuft der Autor fast nur noch in diesen komischen Schuhen herum und hat nicht einen Schritt bereut.