17. November 2014

NSU: Mord auf Bestellung

Wir haben unsere Kriminalkommissarin, gespielt von Veronica Ferres, seit längerem vernachlässigt. Die hat zu tun, ist beim Drehbuchstudium für den großen Degeto-Zweiteiler, der die ganze Familie zum Weihnachtsfest an die Glotze binden wird, so spannend ist der. Sie soll den Mord an einer Polizistin aufklären, wurde allerdings von vielen Überraschungen und Widrigkeiten in ihrem Ermittlerdrang gebremst. Hin und wieder müssen wir dem Plot einen Spannungsbogen hinzufügen, nachdem wir den Böllervorrat eines Jahres verbraucht haben und als Tierfreund aufgetreten sind.

Sie sitzt mit ihren Jungs, ja so sagt sie immer, ihre Jungs, denn sie ist die heimliche Chefin der Runde... Sie sitzt mit ihren Jungs bei der freitäglichen Schwafelrunde. Das Wochenende naht, und der Kaffe ist meist schon kalt.

„Es führt kein Weg zu neuen Ermittlungen. Der Chef hat mir eben noch einmal ein Schreiben aus dem Innenministerium zur Kenntnis gegeben, in dem sich darauf berufen wird, daß die Bundesanwaltschaft den Fall als gelöst ansieht und deswegen ein Prozeß bei einem Gericht anhängig ist.“

„Das glaubst du doch selber nicht, daß der Fall gelöst ist. Das ist doch schnickenfittich, was dieser Fettarsch aus dem Mysterium da aufgeschrieben hat.“

„Mir mußt du das nicht erklären. Ich weiß selber, daß das grober Unfug ist, was sich der Ministeriale ausgedacht hat. Die wollen den Mord nicht gelöst wissen und setzten alles daran, daß das auch so bleibt. Sie wissen zu genau, daß ihnen ihr ganzer scheiß Laden um die Ohren fliegt, wenn der Mord aufgeklärt wird. Wir könnten mit den Tatverdächtigen und Auftraggebern am Schlafittchen vor dem Zimmer des Innenministers stehen und ihm die schriftlichen Geständnisse vor seine Lesebrille halten, der würde trotzdem mauern und uns mit Schimpf und Schande davon jagen. Er wird nicht dulden, daß wir ihm sein schönes Spielzeug kaputt machen.“

„Das bedeutet, die deckeln einen Justizskandal und verurteilen die Nazis für etwas, was sie gar nicht getan haben. Das mag ja durchaus richtig sein. Nazis sind doof. Alleine dafür gehören sie verurteilt. Das heißt aber noch lange nicht, daß sie auch Mörder sind. Das ist dann schon eine andere Hausnummer. Sag mal Chefin, hast du eigentlich alle Akten gelesen?“

„Alle nicht. Wieso?“

„Wie viele Nazispuren haben wir eigentlich in den letzten Jahren abgearbeitet und in den Akten archiviert?“

„Nach meinem Kenntnisstand keine. Genau das ist ja das Problem, daß diese Hanseln das immer mißverstehen. Es gab keine Spur zu Nazis heißt, daß es die Nazis nicht waren. Sonst hätten wir sie ja eingefangen. Egal, wir dürfen nicht ermitteln, das wollte ich nochmal zur Kenntnis aller mitgeteilt haben. Ich hoffe, ihr habt das auch verstanden.“

„Klar, Chefin. Und was ist mit Aktenstaubmilben jagen?“

„Akten umschichten und von Staub befreien ist nicht verboten.“

„Und was ist mit Geschichten erzählen?“

„Was für Geschichten?“

„Heute ist Freitag, schon vergessen? Heute ist unsere Spinnerstunde.“

„Dann spinn mal. Heute bist du dran.“
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Polizeioberkommissar Gutwächter hing in den Hanteln und hatte noch drei oder vier Heber, als ihm der Bizeps gequetscht wurde. Mit einem Scheppern schlug die Hantel in der Halterung auf, so daß drei Augenpaare mit bösartiger Absicht seinen Trainingsplatz musterten.

„Hast du ein Problem?“

„Ich nicht, aber dein Chef.“

„Mein Chef hat keine Probleme, der verschafft dir höchstens welche, wenn du dich nicht gleich verpißt.“

„Ruhig, Junge, werde erst mal erwachsen. Dein Chef hat ein Problem. Du richtest ihm aus, daß er sich binnen 48 Stunden hier zum Training einfinden soll. Mein Boß will mit ihm reden. Das ist alles. Verstanden?“

„Wenn dein Boß mit meinem Chef reden will, dann soll er ihn anrufen.“

„Du hast mich nicht verstanden. Du richtest ihm aus, er soll wieder mal trainieren, er hat seinen Körper in letzter Zeit vernachlässigt. Sollte er nicht binnen der nächsten zwei Tage hier aufschlagen, dann gibt es Streß, meint mein Boß. Also scher dich in die Unterkunft und bestell deinem Chef die schönen Grüße.“

Etliche Stunden später schlug der Chef mit zwei Polizisten im Schlepptau in der Trainingshalle auf. Erst nach einer Stunde kam ein Mittdreißiger an seine Station geschlendert.

„Und? Läuft alles, oder brauchen sie ein paar Gerätetipps?“

„Hier läuft alles. Wieso?“

„Wie heißt die Zugschlampe?“

„Ich kenne keine Zugschlampe.“

„Schick mal deine beiden Jungs in den Feierabend. Die haben lange genug gedient.“

Ein kurzes Kopfnicken und die Leibwächter zogen von dannen. Zehn Minuten später waren sie nur noch zu viert. Der Bulle und drei Muskelprotze.

„Du hörst mir jetzt gut zu. Und beantwortest meine Fragen. Wie heißt die Zugschlampe?“

„Ich kenne immer noch keine.“

„Mein Boß versteht keinen Spaß, verstehst du? Der ist zarten Gemüts und schnell verletzlich. Ihr habt ihm seine Geschäftsgrundlage zerstört. Das nimmt er übel. Sehr übel. Es ist nicht so einfach, sich einen neuen Markt aufzubauen.“

„Ich habe niemandem die Geschäftsgrundlage zerstört.“

„Doch, das hast du. Du hast seine Diskothek gestürmt, hast seine Ware beschlagnahmt, das Bargeld gestohlen, die sündhaft teuren Mädchen verjagt und sein Herz gebrochen. Du hast ihm deine Zugschlampe auf den Pelz gehetzt. Sie war eine Verräterin. Wie hieß die Nutte, die die Hintertür aufgemacht hat? Mehr will mein Boß gar nicht wissen.

„Ich weiß von keiner Diskothek mit Hintertüren, die ich plattgemacht haben soll.“

„Du hörst mir jetzt einfach mal zu. Mein Boß ist in seiner Seele tief verletzt worden. Die Schnecke hat ihm schöne Augen gemacht. Sie hat seinen Edelwodka getrunken. Und sie hat dem SEK die Tür geöffnet. So etwas schmerzt. Mein Boß meint, er weiß noch nicht so recht, wie man das wieder gut macht. Er meint, wir sollten uns mal die Verträge der Polizisten hier im Fitneßstudio anschauen, da steht ja meistens drin, wo die wohnen. Vielleicht besucht man die mal der Reihe nach zu Hause und führt ein paar beschauliche Gespräche. Das würde aber den guten Ruf des Oberbullen ruinieren, meint mein Boß. Wir brauchen den noch, wegen seiner Connections. Er hat auch schicke Videos und rattenscharfe Fotos, sagt der Boß, auf denen dieser Oberbulle bei einer nicht genehmigten Nebentätigkeit zu erkennen ist. Oder die ist genehmigt, dann ist das alles noch viel schlimmer.

Der Deal ist einfach. Eine neue Diskothek mit Gebietsschutz, und wie heißt die Zugschlampe. Alles andere ist unsere Sorge, und der Friedensvertrag, der vor drei Jahren ausgehandelt wurde, bleibt in Kraft. Oder aber es finden Hausbesuche mit Filmvorführung und DIA-Show statt.

Also, Oberbulle, du bist Geschäftsmann, mein Boß ist Geschäftsmann. Verträge werden eingehalten. Wenn es dir und deinen Chefs nicht paßt, dann sag Bescheid. Dann gibt es Krieg.“

„Ich kann so etwas nicht alleine entscheiden. Das sollte dein Boß wissen.“

Der Mann tätschelte dem Bullen die Wange.

„Schlaf eine Nacht drüber und komm morgen wieder. Mein Boß hat es nicht eilig. Aber überlege dir genau, was du tun willst.“

Einen Tag später wußte der Boß, wie die Zugschlampe hieß.