9. Februar 2014

Wolf Biermann kämpft für Edward Snowden



Mit einem ungewöhnlich kämpferisch formulierten Brief hat sich Wolf Bier­mann, Arbeiterdichter und Freiheitskämpfer, an seinen alten Freund, Frank-Walter Steinmeier, und die Öffentlichkeit gewandt. Er befürwortet, dem durch seinen aktiven Widerstand gegen Volksausspähung und Datentyrannei be­kannt­gewordenen, in Rußland gestrandeten Edward Snwoden in der BRD Asyl zu gewähren, um so die demokratischen Freiheitsrechte zu stärken. Wir doku­mentieren das mutige Bekenntnis des, nach Heinrich Heine, bekanntesten deutschesten Lyrikers.

Lieber Frank-Walter,

weil ich dich kenne und schätze, sende ich dir persönlich ein paar Worte der Ermutigung, der du den Kampf für wahre Demokratie und gegen die falsche, die "lupenreine Demokratie" à la Merkel, so tapfer kämpfst.

Auf vielen Kontinenten tobt der ewige Freiheitskampf, der seit Gene­ra­tionen in immer neuen Kostümen und historischen Kulissen ausgefochten wird. Aber Edward Snowden lebt jetzt hier, fast in unserer Nachbar­schaft. Also berührt dieser Streit zwischen den Geheimdiensten viel direkter auch unsere eigenen Interessen und unser Schicksal.

Heinrich Heine - der wohl deutscheste all unserer großen Dichter - schrieb im französischen Exil, in Paris des Jahres 1851, seine politische Lebens­bilanz "Enfant Perdu". Der Poet nennt sich da ein verlorenes Kind und zugleich einen treuen Kämpfer im ewigen Freiheits-Krieg.

Dieser Krieg um Freiheit und um die Freiheiten ging immer wieder verloren, und er wurde trotzalledem immer neu gewagt, in wechselnden Zeiten der Menschheitsgeschichte.

In diesen Tagen tobt der Freiheitskrieg um Edward Snowden - nicht nur auf dessen Facebook-Seite. Wir Deutschen erleben diesen Kampf nur im Fernsehen oder Internet, so wie sonst die James-Bond-Filme. Wir bestau­nen und bewundern, dass dieser amerikanische Computerspezialist mehr kann als Computer hacken. Bitte wirke weiter - als Patriot und zugleich Europäer - im Sinne einer völkerverbindenden "Bridge over Troubled Waters". Und übermittele bitte Deinen Freunden in Washington und Moskau diese erste Strophe des Heine-Gedichtes:

Enfant Perdu

Verlorner Posten in dem Freiheitskriege,
Hielt ich seit dreißig Jahren treulich aus.
Ich kämpfte ohne Hoffnung, daß ich siege,
Ich wußte, nie komm ich gesund nach Haus.


Aber vollende diesen Vers heute in der Wirklichkeit weniger pessimistisch als damals die Freikämpfung von Murnat Kurnaz und unser exilierter Poet sein Gedicht. Du stehst ja als früherer Kanzleramts- und jetziger Asylan­tenminister zum Glück nicht auf verlorenem Posten.

Wir hoffen mit Zorn und Bangen, dass die Hoffnung auf ein Asyl Edward Snowdens in Deutschland nicht verloren geht. Alle, sogar die miss­brauch­ten Geheimdienstmitarbeiter von NSA, GCHQ und BND, sollen, anders als im Heine-Gedicht, gesund bleiben und in Freiheit leben können.

Wolf Biermann, am 04. Februar 2014


Der offene Brief wurde von geschätzt 500 Geistesgestörtenriesen unter­zeich­net.

Wir merken an dieser Stelle den kleinen Einschub an, den Heine dem zweiten Vers beifügte.

(Auch hielt das laute Schnarchen dieser Braven
Mich wach, wenn ich ein bißchen schlummrig war).