24. Juni 2011

Was stimmt hier nicht? Was stimmt?

Die Welt braucht das Geld. Deswegen haben sie auch ungeprüft einen Werbeartikel, also einen Artikel, der schnöde Werbung ist, in ihr Online-Angebot aufgenommen, der per Klick sofort auf das Portal von Marco-Polo führt.



Dann beschäftigen wir uns mal mit einigen Aussagen der Werbung.

Bei einer Fläche von 912.050 qkm fällt es in Venezuela schwer, das Land vollständig zu erkunden.

Ja nun, das würde auch bei 138.792 qkm schwer fallen. Sag ich jetzt mal so.

Meiers Weltreisen bietet nun als Abhilfe eine fünfzehntägige Rundreise zu den interessantesten Orten und Sehenswürdigkeiten an.

Wenn das schwer fällt, dann kann eine 15-tägige Reise keine Abhilfe sein, sondern nur ein höchst stressiger Urlaub, immerhin ist man bis zum Ziel der Reise ungefähr 20 Stunden unterwegs, von hier Aufstehen bis dort Schnarchen gehen gerechnet. Bei der Rückkehr dito.

...hinterlässt die südamerikanische Republik an der karibischen Küste mit Sicherheit einen bleibenden Eindruck.

Das stimmt definitiv.

...gelangen die Reisenden zum Orinoco Delta, das von den Warao-Indianern, die den Reisenden Einblick in ihre Kultur gewähren, bewohnt wird. Mutige Angler haben dort auch die Möglichkeit, Piranhas zu fischen. Die nächste Station nach der Überquerung des Orinoco ist das Naturwunder Grand Sabana, gefolgt von Canaima mit seinen mächtigen Wasserfällen... Besonders eindrucksvoll ist der "Salto Angel" mit einer Fallhöhe von ca. einem Kilometer, was ihn zum tiefsten Wasserfall der Welt kürt.

Der Absatz erst mal vollständig und nun Stück für Stück noch einmal.

...gelangen die Reisenden zum Orinoco Delta, das von den Warao-Indianern, die den Reisenden Einblick in ihre Kultur gewähren, bewohnt wird.

Im Orinoko-Delta wohnen etliche Indianerstämme bzw. Völkerschaften. Einige wenige davon haben sich assimiliert und wohnen an der Grenze zur Zivilisation. Viele Stämme meiden jedoch den Kontakt zum modernen Menschen und greifen ihm im Zweifelsfall auch an, weil er ihre Kultur, ihr Leben und Dasein gefährdet bzw. zerstört. Das wird dann erst am Ende des Marco-Polo-Artikels korrekt dargestellt und kippt diese Aussage hier oben, was die meisten Leser aber drei Absätze weiter eh schon wieder vergessen haben.

Korrekterweise hätte im Artikel stehen müssen, daß Touristen zwecks Übernachtung in ein Camp transportiert werden, daß ca. anderthalb Stunden motorisierter Einbaumfahrt von der Zivilisation entfernt ist.



Am Ausgangspunkt dieser Bootsfahrt sind die erwähnten Einblicke in die Kultur dieser Indianer möglich (siehe Beispiel im Foto).



Damit wären wir dann auch gleich beim nächsten Satz.

Mutige Angler haben dort auch die Möglichkeit, Piranhas zu fischen.

Nicht nur mutige Angler, auch unmutige und Leute die vom Angeln überhaupt keine Ahnung haben, können die Gelegenheit nutzen, eine Angelsehne an einem Holzstock zu befestigen, am Haken Rindfleisch aufzuspießen und das ganze Konstrukt bei einer schaukeligen Tour mit dem Einbaum ins Wasser zu halten. Piranhas, so man sie fängt, werden zum Abendessen serviert. So man nur Modderbarsche fängt, dafür stehen die Chancen sehr gut, werden diese dem Element zurückgeführt. Mithin, das ist eher Tourigaudi denn ernsthaft gemeint. Der Satz ist Schrott.

Wenn das Wetter mitspielt, dann hat man allerdings die große Chance im Stockdustern durchs Orinoco-Delta zu schippern,mit assimilierten Indianern, die aber immer noch alle Tricks des Lebens in und mit der natürlichen Umgebung auf dem Kasten haben. Da kann man was erleben. Z.B., wie man in tiefschwarzer Nacht Krokodile oder Schlangen fängt.

Die nächste Station nach der Überquerung des Orinoco ist das Naturwunder Grand Sabana, gefolgt von Canaima mit seinen mächtigen Wasserfällen.

Die Grand Sabana ist eine Landschaft mit hunderten von Tafelbergen, also Berge, die senkrecht aus der Erde kommen, an den Seiten kahl und oben grün oder bunt sind, Punkerberge eben. Oder Berge mit Punkfrisur.



Im Bild zu sehen, wie zwischen solchen Tafelbergen geflogen wird, um nach Canaima mit seinen mächtigen Wasserfällen zu kommen.



Komme ich zum letzten Satz des längeren Absatzes.

Besonders eindrucksvoll ist der "Salto Angel" mit einer Fallhöhe von ca. einem Kilometer, was ihn zum tiefsten Wasserfall der Welt kürt.

So Leute, das auf dem Foto ist er, der "Salto Angel", besser gesagt, ein Ausschnitt des Wasserfalls. Nun verratet mir bitte, was daran beeindruckend ist. Wißt ihr nicht? Dann sag ich es euch.



Beeindruckend ist erstens das Glück, das man hat, wenn man den überhaupt zu sehen bekommt, denn dazu muß man, wie oben bereits erwähnt, mit dem Flugzeug durch die Schluchten zwischen den Tafelbergen hindurchfliegen, was erstens nur bei absolut schönem Wetter geht, wenn die Thermik stimmt und der Pilot es sich an diesem Tag auch traut. Wenn man dieses Glück hat, dann ist der Wasserfall auch schwuppdiwupp schon wieder vorbei, denn so ein Flugzeug ist in einer engen Schlucht ziemlich flink daran vorbeigeflogen. Eindrucksvoll ist also nicht der Wasserfall sondern das Erlebnis des Fluges und (!) den Wasserfall zu sehen.

Die im anderen Bild oben dargestellten Wasserfälle in Canaima sind übrigens für sich genommen eindrucksvoller, zumal man dort auch hinfährt und unter einem durchläuft.

Der "Salto Angel" ist übrigens nicht der tiefste Wasserfall der Welt, sondern schlichtweg nur der mit der größten Fallhöhe. Das ist alles. Je nach Füllstand der Tafelberge kann das nämlich auch schnell mal ein Rinnsal sein und einfach nur so vor sich hintröpfeln.

Also, liebes Journalistenkollektiv der Welt. Wenn ihr mich weiterhin verarschen wollt, dann denkt bitte an eines. So werden Esel betankt.



Fazit, liebe Leser: Befördert den Vorschlag dieses Marco Polo in den Papierkorb und bucht 3 Wochen z.B. auf der Isla Margarita. Noch besser wäre Isla Coche, aber nur für die ganz hart Gesottenen, die mit Stille und Einsamkeit klarkommen. Es gibt auf beiden Inseln traumhafte Karibik-Strände. Die Isla Margarita ist satt grün urwaldig und die im Artikel benannten attraktiven Ziele Orinoco-Delta und Canaima kauft man sich für schweineteures Geld hinzu.