19. Juni 2010

Flöten statt Tröten

Es war wie eine Kampfansage an das allgegenwärtige Tröten, daß der Einstieg ins Konzert mit Flöten begann, genaugenommen einer Querflöte.



Die riesige Eishockey- und sonstige Verwendungen Halle war bis auf den letzten Platz gefüllt. Dieser letzte Platz war wohl zwei Reihen hinter mir, da hätte noch jemand hingepaßt.



Es war eine Kampfansage des englischen Schotten an England. Wer besser spielt gewinnt.

Das musik- und fußballverständige Publikum hatte die richtige Wahl getroffen. England bietet uns nichts, Mark Knopfler hingegen handgezupften und elektrisch verstärkten Gitarrensound, zuweilen garniert mit weiteren Gitarren, Schlagzeug, Violine, Keyboard und Kontrabaß. Die Entscheidung war leicht.

Wer kann es sich heutzutage schon leisten, 2 Stunden 10 Minuten ohne Pause aus seinem eigenen Lebenswerk zu musizieren? Mark Knopfler kann es, mit Ausnahme zweier Werke der Dire Straits. Romeo & Juliet und Brothers in Arms waren's wohl.

Er hat die Seelenruhe weg, sitzt auf einem Barhocker und zupft die Saiten, daß es eine wahre Wonne ist. Nur der Sound direkt unterm Dach war etwas hallig und breiig, aber das war hier schon einmal Thema, da, wie das Bild oben jedem sachkundigen Menschen sagt... Da die O2 World in Berlin eben kein Rockmusiktempel ist, sondern eine Mehrzweckhalle.

Mark Knopfler hat Rücken, so erklärt er, und Armbeuge auch, und mit dem Rumlaufen auf der Bühne geht es auch nicht mehr so gut, und eigentlich solle er, ginge es nach seiner Tochter, gar nicht mehr auftreten sondern nur noch gesund leben. So habe er sich mit ihr auf diesen Barhocker geeinigt, beratschlage ihre gutgemeinten Wünsche mit sich und zelebriere die ruhigeren Versionen aus seinem reichhaltigen Schaffen, womit wohl allen Beteiligten gedient ist.

Gesagt. Getan. So zupft er sich 90 Minuten lang durch seine Schlaflieder, zwischendurch durchaus andeutend, wozu eine satte elektrische Rechnung eigentlich gut ist. Erst nach 90 Minuten beginnt er dann, die Sau rauszulassen. Alles was spielen und Krach machen kann, hat gefälligst auf der Bühne anzutreten und die Verstärker zu bedienen. Daß es trotz allem immer noch handgemacht ist, wird vermittels am Gittarrensteg angebrachter Knopfkameras auf der Videoleinwand visualisiert. Jeder Ton aus Knopflers Gitarre wird fein säuberlich mit Daumen-, Zeige- und Mittelfinger aus den Saiten gezupft. Kein Plektrum oder andere Dopiate im Einsatz.

Bei Marbletwon mußte ich die ganze Zeit an Georgi Gogow und seine zuweilen exzessiven Violinensoli (Am Fenster) denken. Oder war er es gar höchstselbst, der diesem Titel zu violinösem Glanz verhalf?



Es scheint es ist Schluß. Das bis dahin artig in den Sitzen hängende Publikum hält nun nichts mehr. So alt ist man denn doch nicht, daß man nicht doch noch der alten Zeiten frönen kann. So wird der Bühnenrand für die letzte halbe Stunde belagert, und die security nahm es gelassen. Ist ja nichts passiert und sie waren eh nur zu viert.

Es ist nichts passiert? Ganz am Ende lagen sich die Bandmitglieder in den Armen, jubelten und winkten ins Publikum. Sie hatten gewonnen. Nach 2 Stunden und 10 Minuten Nachspielzeit. (Der Mitschnitt oben ist um wenige Minuten Kunstpausen gekürzt und liegt in wenigen Sekunden bei mir auf der Platte.)