15. Februar 2009

The International

Ich bin ja selten zum Staunen zu bringen. So selten, daß es bisher abzählbar geblieben ist.

Gestern war wieder so ein Tag. Ich war regelrecht verblüfft, was ein Mensch, der keine Ahnung hat, an grundsolidem Produkt abliefern kann. Fast. Und daß es wohl doch gelingt, alle 10 Jahre einen deutschen Thriller in die Kinos zu schmuggeln, der internationalen Standards standhält. Fast.

Vorab nahm ich jedoch noch kurz die Gelegenheit wahr, die krisengebeutelten Arbeiter und Bauern beim Aufwärmen zu beobachten. Sie hatten sich in einem großen Kaufhaus versammelt, da dieses im Winter beheizt und mit live-Musik beschallt wird. Spart zu Hause immense Heiz- und Energiekosten. Außerdem waren lustige Stände aufgebaut, an denen man sich über Arbeit informieren konnte.

Die Geschäfte waren auch proppevoll. Ob sie gut liefen, weiß ich nicht.

Rein ins Kino, wie immer Werbung verpaßt, aber dafür fing der Film an, als ich mich in meinen Sessel verlümmelt hatte.

Im Grunde kann ich es kurz machen. Es wird ein grundsolide inszenierter Thriller geboten, ziemlich redundanzfrei. Spannend und straff von der ersten bis zur letzten Minute erzählt und genau an den richtigen Stellen mit oppulenten Bildern ausgestattet. Schön zu sehen, wie der Kameramann die Insignien der Macht eingefangen hat.

Ein Film, der sich jederzeit mit Hollywood messen kann, wenn nicht Tom Tykwer Regie geführt hätte. Der hat keinen Mut und macht aus der Story ein biederes Stück deutschen Films, so wie der deutsche Film eben ist.

Ihm unterlaufen drei gravierende handwerkliche Fehler. Einer davon ist vergeben, den machen alle.

Im Guggenheim zu New York findet eine Schießerei statt. Die Beteiligten ca. 6 Personen sind mit der Taschenartillerie zweier SEK ausgestatt worden, dem Munitionsvorrat für 2 Tage und verballern in den 5 Minuten ein ganzes Wochenkontingent. Hier stimmt etliches nicht, aber das habe ich noch nie besser gesehen.

Der gröbste handwerkliche Fehler, und das macht aus dem Film die biedere deutsche Hausmannskost, Armin Mueller-Stahl, als Berater der Bank tätig, wird als früherer Oberst der Staatssicherheit enttarnt, der in seinen Körperbewegungen Markus Wolf zu imitieren scheint. Im übrigen unabhängig davon, daß hier einer der besten Dialoge stattfindet.

Diese Rolle ist für das Funktionieren des Films überhaupt nicht erforderlich oder zwingend. Genausogut hätte es ein alter KGB-Mann in Anlehnung an Putin (!!! genau hier fehlt Tykwer eben der Mut), ein abgehalfterter CIA-Agent, Leonardo di Caprio hat ja seit dem Ende von "Body of lies" nichts mehr zu tun, desillusionierter BND-Beamter oder sonstwer sein können.

Die Zuordnung zu Stasi ist schlichtweg deutscher Zeitgeist, überflüssig, aber 250.000 Euro an Fördergeldern wert. Unverzeihlich und schlichtweg peinlich.

Tykwer vermiest mir den Kinoausflug in dieser Szene mit einem Satz in Spiegelplattdeutsch. Ein ehamliger Yard-Polizist und nunmehrige Interpol-Cop sagt zum Oberst a.D.:

"Sie haben ihr ganzes Leben der Partei und dem Kampf gegen den Klassenfeind gewidmet und stehen jetzt in dessen Diensten."

Sprachlich voll daneben, doch politisch korrekt und spiegelgerecht formuliert. Gibt nochmal 10.000 Euro Fördergel obendrauf.

Ein Yard-Polizist, jetzt bei Interpol, kennt solche deutschen Sätze nicht. Unverzeihlich für einen Film, der international mitspielen will.

Das macht dann den Unterschied zwischen Ridley Scott und Tykwer. Scott hat Weltgeist und setzt den filmisch um. Tykwer ist ein provinzieller Wichtel und setzt das um.

Die Besetzung Mueller-Stahls als Oberst a.D. hat den Flair einer Anekdote der Filmgeschichte. Mueller-Stahl begann seine Filmekarriere als Widerstandskämpfer im Spanienkrieg, KZ-Häftling und Kundschafter des MfS im Kampf gegen den Faschismus in der Nachkriegs-BRD und beendet sie als Oberst der Staatssicherheit. Na wenn, das nichts ist.

Gravierender Fehler kurz darauf. Clive Owen muß Naomi Watts in einer hoch angespannten und emotionalen Situation davon überzeugen, daß mit der Zusammenarbeit ab sofort Schluß ist. Er wird sich den Rest des Weges alleine durchs Polizeileben schlagen. Owen argumentiert sachlich und rational. Und überzeugt die Frau. Schwachsinn. Frauen entscheiden in solchen Momenten überwiegend emotional, sind rational überhaupt nicht ansprechbar. Die Szene ist Schrott.

Die letzten 30 Sekunden des Films versaut Tykwer regelrecht und setzt damit die eigentlich gute Inszenierung in den Sand.

In den guten alten Western war es der Showdown. In den ganz guten der Shootdown. Tykwer macht sich zum Affen und vergibt die Chance seines Lebens, ein guter und weltweit anerkannter Thriller-Regisseur zu sein.

Clive Owen richtet auf dem Dach eines Istanbuler Hauses die Pistole auf den Bankmanager.

"Wenn sie das tun", sagt dieser, "dann sind sie auch nicht besser als alle anderen und befriedigen nur ihre Mordlust."

So hätte es weitergehen müssen.

"Genau deswegen bin ich hier." Peng. Klappe.

Passiert ist allerdings.

Peng. Pistole am Hinterkopf von Owen. Er überläßt dem Hintermann seine. Der geht zum schwer verletzten Bankmanger, setzt den Fangschuß, dreht sich um und geht. Im Vorbeigehen sagt er noch "Gracias". Mafiamethoden eben. Für diesen Film absolut uncool und eine billige Ausrede für Tykwer, der nicht über seinen Schatten des Hobbyfilmers springen kann. Er bleibt ein deutscher Provinzfilmer. Gerettet haben den Film die Schauspieler, Kameramänner, Crew und das Schnittmeisterteam. Tykwer konnte nichts dafür.

Der Film ist sehr gut, lohnt die Investition von 8,50 Euronen und hat gleichermaßen vollkommen zu Recht keinerlei Preis auf den Berliner Filmfestspielen abgeräumt, weil Tykwer immer noch keine Ahnung davon hat, wie man einen Edelthriller inszeniert. Der Film "The Departed" hat dazumal etliche Oscars abgeräumt. Vielleicht auch wegen der letzten 30 Sekunden.